Samstag, 1. August 2020

9 Sehenswürdigkeiten in Tschechien und ihre deutschen Gegenstücke

An einigen Orten in Deutschland habe ich auf einmal das Gefühl: Hm, das kenne ich doch irgendwoher? Dann fällt mir ein, dass es mich an einen Ort erinnert, der hunderte Kilometer entfernt ist.

Sky Bridge 721 Dolní Morava/Skywalk Willingen

Vom selben Hersteller stammen diese atemberaubenden Riesenhängebrücken mit Gitterboden (praktisch, dann kann man nur dann durchgucken, wenn man senkrecht nach unten blickt - wäre das Ding völlig durchsichtig, wäre es wohl zu heftig). Kaum hatte die Brücke im Willingen als längste Fußgängerhängebrücke der Welt geöffnet, kam auch schon das ehrgeizige Dolní Morava und jagte Hessen den Rekord wieder ab. Verängstigte Touristen latschen über eine grüne Schlucht aus Nadelwald und genießen den Blick oder überlegen, ob sie direkt umkehren sollen. Riesige Stahlseile halten das schwankende Monster. Gebucht wird online oder über moderne Kassenautomaten.

Unterschied: In Tschechien ist das Ende eine Sackgasse in einem Gitterkäfig, man muss zwangsläufig umkehren. In Deutschland kann man dagegen raus und irgendwann später im Tag mit demselben Ticket wieder zurück - also keine reine Attraktion zum stumpf ansteuern und abklappern, vielmehr lässt sie sich in eine echte Wanderung einbinden.

Jüdischer Friedhof Kolín/Worms

Ein Wirrawarr uralter Grabsteine, die im Nebel wie schiefe Zähne aus dem Boden ragen? Verziert mit geheimnisvollen Schriftzeichen? Das sind der größte (Worms) und zweitgrößte (Kolin) jüdische Friedhof Europas.

Unterschied: In Worms kann man so reingehen, in Kolin muss man erst den Schlüssel abholen. In Worms fährt die Bahn gleich nebenan.

 

Dolní Vítkovice Ostrava/Landschaftspark Duisburg Nord

Die Hochzeit der Industrialisierung ist längst vorbei, unser Stahl wird in China produziert. Was machen wir also mit den alten Hochöfen? Sowohl die Menschen in Ostrava als auch in Duisburg kamen zu dem Schluss, dass man da irgendwas Spektakuläres draus machen sollte, statt es abzureißen oder verfallen zu lassen. Denn sobald ein paar Jahrzehnte vergangen sind, ist das für die meisten Menschen kein scheußlicher Arbeitsplatz mehr, sondern eine faszinierende Kulisse für Instagram-Fotos.

Unterschiede: In Duisburg ist ein Park drumherum, in einem Bunker laichen Kreuzkröten und es wachsen alpine Pflanzen. In Ostrava beschränkt sich die Pflanzenwelt auf ein paar Grashalme unter sinnlosem Kunstschnee. Das Gasometer ist in Ostrava eine Veranstaltungshalle, in Duisburg ein Tauchbecken. In Duisburg darf man rund um die Uhr einen Hochofen besteigen, in Ostrava nur mit Führung. Dafür hat Duisburg keinen modernen Bolt-Tower mit Cafe auf dem Hochofen drauf. Außerdem muss man sich alles selbst auf langen Hinweistafeln durchlesen, statt dass es ein Führer erklärt. Im Sommer ist in Ostrava eine Fahrt mit der Lore vom Hochofen runter inklusive.



Pferdeschwanz am Vaclavské Náměstí/Weltzeituhr am Alexanderplatz

Wenn man sich auf dem größten Platz der größten Stadt verabredet, benötigt man einen konkreten Treffpunkt. Prager treffen sich "unterm Schwanz" ihres Königs, also von dessen Pferd. Deutsche treffen sich pragmatisch unter einer Uhr. So wissen sie gleich, wie viel Verspätung der andere hatte.

Unterschied: Der Pferdeschwanz zeigt nicht die Uhrzeit in New York an.


Schlosspark Letohrad/Pfalzgarten Goslar

Eine alte Parkanlage, umgeben von bröckeligen Mauern? Das kenne ich doch irgendwoher.

Unterschiede: Der Letohrader Park ist deutlich größer und hat eine Drachengrotte mit Drachen, aus dessen Maul der Fuß einer Prinzessin ragt.
 

Katakomben Mělník/Oppenheimer Kellerlabyrinth

Wer durch die Straßen einer wunderhübschen bunten Kleinstadt schlendert, weiß zunächst nicht, was sich unter seinen Füßen verbirgt. Erst wenn er sich in der Touristinfo zu einer Führung anmeldet, kann er die enge Treppe nach unten steigen und entdeckt die tiptop restaurierte, saubere Unterwelt: Das geheime Innenleben, Lager und der Rückzugsort einer Handelsstadt, deren Oberfläche vor allem während der Renaissance von Kriegen heimgesucht wurde. Eine nette alte Dame erklärt die Geschichte der Gänge.

Unterschiede: In Deutschland trägt man unter dem Helm ein Hygienehäubchen, derlei ist in Tschechien unbekannt. Das deutsche Labyrinth ist größer, hat aber keinen riesigen Brunnen.

Burg Bouzov/Marksburg

Diese hochgelegene, vergleichsweise farbenfrohe Burg kann man nur während einer Erwachsenen- oder sehr kinderfreundlichen Führung besichtigen. Die mittelalterbegeisterten Kinder dürfen anschließend den Merchandise-Shop leerkaufen.

Unterschiede: Burg Bouzov ist noch bunter. Auf ihr wurden Märchenfilme gedreht, auf der Marksburg Löwenzahn.

 

Schneekoppe/Zugspitze

Der höchste Berg der Republik liegt exakt auf der Grenze und gehört zur Hälfe einem eng verwandten, aber doch etwas anderen Nachbarland (Polen/Österreich). Obendrauf steht ein Komplex nicht gerade schöner Gebäude. Eine lange Kabinenbahn gondelt nach oben, mit deren Hilfe jeder Staatsbürger den höchsten Gipfel seiner Nation betreten kann, auch wenn er nicht wandern kann oder mag.

Unterschiede: So ziemlich alles andere, grob gesagt eben der Unterschied zwischen Hoch- und Mittelgebirge. Dieser Unterschied beträgt 1358,8 m. Er führt dazu dass
a) wie der Name schon sagt, der eine Berg eine Spitze ist und der andere eine rundliche Koppe
b) ich für die Besteigung der Zugspitze dreimal so lange benötige, selbst wenn ich zwischendurch Seilbahnen zur Abkürzung nutze.


Ich habe überlegt, ob ich die Schneekoppe nicht lieber dem Brocken gegenüberstellen sollte. Optisch sind die sich ähnlicher. Aber so ganz passt das auch nicht.

Aquapark Žamberk/Olantis Huntebad Oldenburg

In diesen Freibädern darf man sowohl im Becken als auch in einem Naturfluss (Orlice/Hunte) schwimmen. Hätte gar nicht gedacht, dass so etwas auch in Deutschland so einfach geht.

Unterschiede: In Deutschland muss man halt nur vorher einen neuen Flussarm bauen, über den die Mühlenhunte außenrum fließen kann, den Fluss auf der einen Seite mit großen Steinen abdichten und auf der anderen Seite mit einem Netz, das an einem Steg hängt, und einen flachen Sandstrand aufschütten. Da sage noch einer, in Deutschland sei immer alles so kompliziert.

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