Montag, 26. März 2018

Saunieren in Tschechien

Viele tschechische Schwimmhallen haben ein Dampfbad oder eine Sauna. Manchmal muss man dafür extra bezahlen, manchmal nicht. Wenn der Architekt nicht mitgedacht hat, liegt die Sauna und das Dampfbad mitten im Durchgang bei den Duschen, wo ständig Menschen durchlaufen, denn da ist es bestimmt am gemütlichsten. Auch kleine Schwimmhallen haben einen Entspannungsbereich mit Sauna, meistens im Keller oder Obergeschoss. Der ist zwar ganz klein und hat maximal zwei Saunen, dafür kostet er auch nur 80 Cent extra. Das Dampfbad kostet gar keinen Aufpreis.

Für deutsche Gäste könnten folgende Regeln etwas ungewohnt sein:

In einigen Saunen darf man sein eigenes Handtuch nicht benutzen, sondern nur die großen weißen Tücher des Bades. Die sehen wie Bettlaken aus.
Manchmal bekommt man die Tücher gratis und manchmal muss man sogar eine Leihgebühr bezahlen.

Woanders sind die Saunen manchmal nach Geschlecht getrennt. In einer besonders prüden Schwimmhalle ist gemischtes Saunieren nur einmal in der Woche zu einer ganz bestimmten Zeit gestattet, und zwar nur für Paare. Wahrscheinlich muss man da am Eingang auch noch die Heiratsurkunde vorzeigen...

Ihre Kinder können sie vorher vor der Kindersauna abladen, wo Erwachsene keinen Zutritt haben.

Donnerstag, 22. März 2018

Die Gebirgsgrenze

Was haben Tschechien und Mordor gemeinsam? Eine Gebirgsgrenze.
Man kann die Landesgrenze auf Satellitenaufnahmen problemlos erkennen, denn das Land wird von Gebirgen eingerahmt. Deshalb sagt man auch manchmal "Ich fahre in Tschechien hinein." anstatt "Ich fahre nach Tschechien."

Das Landesinnere besteht vor allem aus Hochebenen, Becken und ein paar Mittelgebirgen. So richtig flach und tief wird es nur selten. Auf manchen Karten ist die einzige dunkelgrüne Stelle Tschechiens das Tal der Elbe zwischen Mělník und Pardubice.

Die meisten Gebirge befinden sich allerdings außen.
Für alle Gebirge an der Nordgrenze Tschechiens gibt es auf Deutsch einen Oberbegriff: Sudeten.
Die offizielle tschechische Bezeichnung ist ein ganz klein wenig länger: Krkonošská-jesenická subprovincie. (Bitte alle nachsprechen!) Das tschechische Wort Sudety gibt es zwar auch, aber es wird aus irgendeinem Grund seltener verwendet. Vielleicht, um Ausländer zu verwirren.

Ganz im Westen liegt das Erzgebirge, danach folgt das hübsche Elbsandsteingebirge als erster Teilabschnitt der Sudeten beginnen.

Ein Gebirge reicht aber nicht als Grenze! Direkt hinter dem Elbsandsteingebirge folgt das Böhmische Mittelgebirge (České středohoří), das zu großen Teilen aus Vulkangestein besteht. Es erstreckt sich ins Landesinnere bis nach Litoměřice und hat eine Menge Burgruinen.




Das größte Gebirge Tschechiens ist das Riesengebirge. Der tschechische Name ist um einiges klangvoller und enthält deutlich weniger Vokale: Krkonoše. Dort lebt nämlich angeblich der Riese Krakonoš, der es vor Wilderern schützt.





Das Riesengebirge ist toll! Hohe farbenfrohe Berge, tiefe Täler, reißende Flüsse und Wasserfälle gibt es dort zu entdecken.
Der höchste Berg Tschechiens befindet sich auch dort, direkt an der polnischen Grenze: die Sněžka (Schneekoppe). Sie ist 1603 Meter hoch. (Die Höhe wird sich zwar eh niemand merken, aber der Vollständigkeit halber...)
 

Nebenan befindet sich das Adlergebirge (Orlické hory). Das ist zwar eine Nummer kleiner, aber voller schöner Wanderwege, Skigebiete und rauschender Bäche. Außerdem sind die Chancen, hier einen der namensgebenden Adler zu sehen, zumindest besser als die Chancen, im Riesengebirge den Riesen zu finden. (Es sei denn, ein kräftiger, großer Skifahrer oder Mountainbiker zählt für Sie schon als Riese.)

Das Adlergebirge liegt auf der linken Seite eines polnischen Einschnitts, wo Polen tief in Tschechien hineinragt. Die Grenzgebirge rahmen ein Becken ein, in dessen Mitte die polnische Stadt Kłodzko (Glatz) liegt.

Auf der anderen Seite des Beckens befinden sich die Glatzer Schneeberge, deren größter Gipfel der Glatzer Schneeberg ist. Auf Tschechisch ist die Bezeichnung für den recht großen Berg und das recht kleine Gebirge sogar identisch: Králický Sněžník.

Als nächstes folgt das Altvatergebirge (Jeseníky). Nachdem im Osten Tschechiens, fast schon bei Ostrava, die letzten Ausläufer des Altvatergebirges enden, folgt ein ganz kurzes Stück ungesicherte Grenze ohne richtige Berge...

...und dann zum Ausgleich eine doppelt gesicherte Grenze: Hier liegen die Beskiden (Beskydy) und direkt dahinter die Javorníky.

Im Süden Tschechiens gibt es dann nochmal einen Abschnitt ohne richtiges Grenzgebirge  - wobei, Gebirge gibt es da schon. Sie liegen nur nicht direkt auf der Grenze, sondern etwas weiter im Landesinneren. Besonders faszinierend ist hier der Mährische Karst (Moravský kras).

Und schließlich wären da noch, im Südwesten, an der Grenze zu Österreich und Deutschland, der große Böhmerwald. (Hinter der Grenze nennt man ihn dann Bayrischen Wald, aber im Prinzip ist das dasselbe Gebirge.) Auch hier ist der tschechische Name um einiges schöner: Šumava. Das klingt ja schon richtig nach dem Rauschen des Waldes...

Soweit unser kurzer Rundflug entlang der natürlichen Gebirgsgrenze Tschechiens.

Tschechien vs. Deutschland

Vier Dinge, die in Tschechien besser sind als in Deutschland:

1. Urbanisierung

In Deutschland hat man oft die Wahl zwischen überquellenden Großstädten mit Wohnungsnot und brandenburgischem Ödland. In Tschechien verteilen sich die Menschen besser auf viele Dörfer und Städte unterschiedlicher Größe. Wo das eine Dorf endet, beginnt gleich die nächste Kleinstadt.

2. Solidarität

Man hält zusammen. Tschechen sind sehr sozial. Die hatten den Sozialismus überhaupt nicht nötig.

3. Urlaubsland

Deutsche fahren typischerweise nach Mallorca (alternativ woanders in Spanien oder Italien). Das tschechische Äquivalent ist die Adriaküste von Kroatien. Kein Wunder: Es gibt dort ja ganz ähnliche Mittelmeerküste wie in Italien, die Sprache ist recht ähnlich und die Menschen ebenfalls. Zur Ostsee und zur Adria ist es ungefähr gleich weit, doch man kann es ihnen nicht verdenken, wenn die Tschechen fast alle nur in den warmen Süden fahren. Mecklenburger werden gefragt: "Badet ihr da auch in eurem Meer oder habt ihr das nur so?"
Jedenfalls hat Tschechien ein prima Urlaubsland, auch ohne es mit Handtüchern und Verdrängung der Landessprache erobern zu müssen.

4. Höflichkeit

Damit man unhöflich angesprochen wird, muss man schon sehr großen Mist bauen. Ansonsten wird man höchstens freundlich und zurückhaltend darauf hingewiesen, dass einen etwas leicht Unangenehmes erwarten könnte oder dass man sich vielleicht nicht ganz optimal benommen hat.
Essen schmeckt natürlich grundsätzlich niemals schlecht, höchstens "interessant" (zajímavý).
Ausgenommen davon sind bestimmte Berufsgruppen wie zum Beispiel Busfahrer.


Drei Dinge, die in Deutschland besser sind als in Tschechien:

1. Direktheit

Die tschechische Höflichkeit hat auch Nachteile: Vieles wird durch die Blume gesagt und man muss es dann verstehen. Wird einem Tschechen etwas zu Essen angeboten, lehnt er es aus Höflichkeit erstmal ab, auch wenn sein Magen schon knurrt. Nach einigem Gebitte nimmt er es dann doch an.
Aus diesem Grund verhungern jedes Jahr hunderte tschechische Au-Pair-Jugendliche im Ausland, deren Ablehnungen absurderweise ernstgenommen werden.
Deutsche in Tschechien bekommen wiederum oft Dinge aufgedrängt, obwohl die Ablehnung ernstgemeint war.

2. Umweltbewusstsein

Recycling und Ähnliches sind nicht so stark ausgeprägt, Pfand gibt es zum Beispiel nur auf Glasflaschen.

3. Weltbild und Vorurteile

"Bei euch in Deutschland sind ja dauernd irgendwelche Anschläge und es kommen ständig hunderttausende neue Migranten, oder?"
Nein, das war vor über zwei Jahren, Merkel hat längst eine Kehrwende hingelegt und unser Land ist noch nicht zusammengebrochen, danke der Nachfrage, seufz.
Deutschlands Westen, Deutschlands Osten und dann Tschechien: Je weiter man nach Osten geht, desto weniger Ausländer leben dort und desto mehr Vorurteile gibt es. Zufall?
Und falls es doch mal zu wenig Ausländer gibt, um jemandem die Schuld zu geben, dann waren es eben "die Zigeuner" (cikáni).

4. Landschaftliche Vielfalt

Tschechien hat viele verschiedene Gebirge, Ebenen und Täler. Klar, da gibt es schon eine ganze Menge zu entdecken. Aber ein Land, das Ostseestrand, Wattenmeer, Börde, Mittelgebirge und Alpen vereint, ist da irgendwie schon nochmal was anderes. Insbesondere die Abwesenheit eines Meeres kann kein Stausee wettmachen.

Mittwoch, 21. März 2018

Kinderfilme

Die tschechischen Kinderfilme: Einige sind auch in Deutschland sehr bekannt, andere eher nicht so. Einige zu recht, andere eher nicht so.
Hier ein paar Beispiele:

Krtek/Der kleine Maulwurf

In dieser aus zoologischer Sicht nicht ganz korrekten Naturstudie erlebt ein Maulwurf mit Hase, Igel und anderen Tieren diverses Zeug. Dank minimalistischer Sprache ("Hallo!" "Jé!"="Oje!" "Pa-pa!"="Tschüss!") ist die tschechische Synchronisation auch international relativ verständlich.
Durch die kurzen Trickfilme wurden schon Millionen Kinder enttäuscht, die im heimischen Garten leider feststellen mussten, dass aus echten Maulwurfshügeln nicht etwa jeden Morgen, sondern so gut wie nie ein Maulwurf kommt (und schon gar nicht einer mit blauer Schaufel).


Mach a Šebestová/Mach und Šebestová

Zwei schulpflichtige Kinder und ein nicht schulpflichtiger Hund aus einem Wohnblock bekommen von einem geheimnisvollem alten Mann einen abgerissenen Telefonhörer (sluchátko) geschenkt. Dieser verfügt über Fähigkeiten, die Apples Siri alt aussehen lassen: Er beantwortet jede Art von Bitte mit ausgesuchter tschechischer Höflichkeit und erfüllt den Wunsch umgehend. Dabei entstehen keinerlei Nachteile, Nebenwirkungen oder Missverständnisse, sodass dieser Telefonhörer im Vergleich deutlich besser abschneidet als ein Sams, eine Wunderlampe oder andere Arten der Wunscherfüllung.
Theoretisch könnten sich die Kinder nun ein paradiesisches Leben leisten, praktisch nutzen sie den Hörer allerdings nur zur Lösung diverser Alltagsprobleme, etwa um einen Mitschüler von einer Krankheit zu kurieren, damit er auf der Klassenfahrt mitfahren kann. Sie wünschen ihn aber nicht einfach gesund, sondern wünschen sich, so klein zu sein, dass sie in seine Kehle hinabsteigen und gegen die Bazillen kämpfen können. Möglicherweise sind sie Adrenalinjunkies.

Sparsam wird mit der Synchronisation umgegangen: Ein einzelner Sprecher fungiert als Erzähler und spricht alle Figuren. Der Titelsong hat Kultstatus.

At žijou duchové!/Es leben die Geister!

Ein Haufen singender Jungpioniere (ist ja noch aus dem Kommunismus) wollen eine Burg zu einem Museum wiederaufbauen. Ein Supermarktbetreiber will die Burg niederreißen und dort Champignons züchten. In der Burg leben Geister, die aus irgendeinem Grund wie ganz normale Menschen aussehen und nur anhand der mittelalterlichen Kleidung zu erkennen sind. Das Geistermädchen wird am Ende erlöst und lebt wieder, was nur dadurch zu erkennen ist, dass sie nun eine Hose statt weißem Kleid trägt.
So weit, so merkwürdig. Vor allem aber wird nervtötend viel gesungen, jeder Handlungsschritt muss zwingend durch ein langes Lied von allen Kindern kommentiert werden.


Pat a Mat/Pat und Mat

Zwei Nachbarn wollen irgendwas machen, zum Beispiel ein Bücherregal errichten, tapezieren oder Wein anbauen. Sie bauen etwas sehr Wackeliges auf, schütteln sich zufrieden die Hände, alles bricht zusammen (manchmal explodiert auch etwas), sie kratzen sich am Kopf, fangen von vorn an und bauen etwas noch viel Größeres, schütteln sich die Hände... naja, und immer so weiter.
Funktioniert komplett ohne Sprache, unterstützt nur von witziger Musik. Nur in den Niederlanden und in Polen wurden sinnloserweise Dialoge hinzugefügt.


Návštěvníci/Die Besucher

Im Jahr 2484 einer ziemlich perfekt-utopische Zukunft (außer dass es kein Bier gibt) verkündet der möglicherweise fehlerhafte Supercomputer mit beeindruckend tiefer Stimme, dass ein Komet Teile der Erde zerstören wird. Das ließe sich verhindern, indem man einfach ein paar Kontinente verschiebt.
Im Jahr 1984, also im finstersten Mittelalter (aus Sicht der Menschen im Jahr 2484 jedenfalls), wohnt in einer tschechischen Kleinstadt ein elfjähriges Genie, der später den Nobelpreis bekommen soll. Er kritzelt eine Formel zur Verschiebung von Kontinenten in sein Heft neben das Bild einer nackten Frau klebt (weshalb sein Vater es wütend einkassiert).
Vier Zeitreisende reisen also 500 Jahre in die Vergangenheit, um die Welt zu retten und einem Jungen das Schulheft zu klauen - möglichst unauffällig natürlich, damit die Geschichte nicht beeinflusst wird. Das wird lustig.
"Ist Ihnen klar, dass wir in ein Jahrhundert mit zwei Weltkriegen reisen?"
"Wir könnten uns mit der Pest anstecken." - "Nein, die Pest war im Mittelalter."

Der alte Akademiker der Gruppe ist spielt immer den Oberlehrer, auch wenn er ständig Dinge missinterpretiert, zum Beispiel einen Campingplatz: "Schauen Sie, Nomaden."

Eine witziger Twist (Achtung, Spoiler) besteht darin, dass der Elfjährige in der Schule ziemlich schlecht ist. Sein physikalisches Wissen erhält er in heimlichen Treffen mit dem nicht minder genialen, wenn auch ziemlich heruntergekommenen Dorf-Opa Drchlík.

Aus irgendeinem Grund sind im Jahr 2484 alle Mensch kahlköpfig und essen sprudelnden Wackelpudding. Nackt zu sein ist nicht schlimm, aber keine Perücke aufzuhaben ist sehr peinlich.
Naja. Eine besonders präzise Vorhersage des Jahres 2484 dürfte das hier nicht gerade sein, dafür ein umso liebenswerteres Porträt Tschechiens im Jahr 1984.

Die Tatsache, dass viele der Erfindungen im Jahr 2084 mittlerweile schon erfunden sind (naja, Zeitreisen noch nicht), stimmt etwas nachdenklich.
Irgendwie wünsche ich mir ein Remake, bei dem die Zeitreisenden ins Jahr 2018 reisen. Allerdings habe ich angesichts unserer futuristischen Gegenwart keine Ahnung, wie man die Zukunft darstellen könnte, damit sie sich deutlich von der Gegenwart unterscheidet.


Dienstag, 20. März 2018

Tolle Tiere

Diese Tiere sind so toll, dass ich sie mal fotografieren musste.

Die Ziegen am Wegesrand:

 

Schneehunde:


Das Böhmische Biohuhn:

Die Rehe auf dem Feld:


Das mäusefressende Bauernhof-Wildkätzchen (Bildmitte):


Montag, 19. März 2018

Gliederung

Tschechien besteht aus 14 kraje. Das Wort kraj kann man mit Bezirk, Kreis oder Region übersetzen.
Einige kraje haben eigene Namen, zum Beispiel der Jihomoravský kraj (Südmährischer Kreis).
Die meisten werden aber ganz einfach nach ihrer Hauptstadt benannt, etwa der Liberecký kraj (Reichenberger Kreis) oder der (Bitte alle nachsprechen!) Královéhradecký kraj (Königgrätzer Kreis).


Die Hauptstadt Prag ist ein eigener kraj.
Rund um Prag liegt der Středočeský kraj (Mittelböhmischer Kreis). Der hat keine eigene Hauptstadt (bzw. dessen Hauptstadt ist auch Prag) und ist der größte und bevölkerungsreichste kraj.
Das kann man von Brandenburg nicht gerade behaupten...

Jeder kraj besteht aus vier bis fünf okresy (Landkreisen), die wiederum gliedern sich in obce (Gemeinden).

Die kraje sind allerdings keine Bundesländer! Sie haben viel weniger Einfluss. Man könnte sie eher mit den Bezirken in der DDR vergleichen.



Sonntag, 18. März 2018

Die Geschichte der Tschechen

Vor etwa 40 000 Jahren kamen Steinzeitmenschen von Afrika nach Europa und Asien. Alle Tschechen sind also ursprünglich Afrikaner. Na, hoffentlich erfährt Tomio Okamura nichts davon...

Von den ersten Bewohnern Tschechiens weiß vor allem, wie sie ihre Leute beerdigt haben: In Urnenfeldern und später Hügelgräbern (4000 - 5000 v. Chr.).
Etwa 400 v. Chr. wanderten Kelten in Tschechien ein, genau genommen die Boier (lateinisch Boiohaemum). Daher kommt der Name Böhmen.


Im 6. Jahrhundert kamen die Slawen aus dem Osten, vom Fluss Dnepr (heute Ukraine). Von ihnen stammen die meisten Tschechen ab, und die slawische Sprachfamilie brachten sie auch noch mit. Der Sage stieg der Urvater Čech auf den Berg Říp, blickte hinab auf Tschechien und sprach: Jo Leute, lass mal da unten wohnen.
(Die Autobahn daneben wurde erst später erbaut.)


Das heutige Tschechien besteht aus drei historischen Königreichen: Böhmen, Mähren (Morava) und Schlesien (Slezsko). Böhmen und Mähren sind komplett drin, von Schlesien nur ein kleiner südlicher Streifen. Der Rest Schlesiens gehört zu Polen.
Auf Tschechisch ist böhmisch und tschechisch bzw. Böhmen und Tschechien dasselbe Wort (česky bzw. Česko).


Die tschechische Geschichte besteht in erster Linie aus Eroberungen und Fensterstürzen. Ständig wurde Tschechien von irgendwem erobert und gehörte dann zu irgendeinem größeren Reich.

Zuerst war da im 7. Jahrhundert das Samo-Reich. Dieser Samo war ein fränkischer Kaufmann, der über Teile von Mittel- und Osteuropa herrschte. Das Zentrum des Reiches war Mähren. Besonders viel weiß man nicht über diese Zeit. Aber es war der erste richtige Staat auf tschechischem Gebiet. Vorher waren da bloß irgendwelche Stämme.

Als nächstes wurde Tschechien von Karl dem Großen erobert und gehörte zu Beginn des 9. Jahrhunderts zum Frankenreich. Die tschechischen Slawen waren ursprünglich orthodox, aber durch Karl wurden sie katholisch.

Ende des 9. Jahrhunderts gab es für einige Zeit das Mährerreich in Mähren und der heutigen Slowakei. Dieses Reich hatten die Slawen selbst auf die Beine gestellt. Es umfasste aber noch nicht das ganze Tschechien. Aber gleich danach gab es dann endlich den ersten richtigen tschechischen Staat.

Dazu gibt es auch eine Legende. Die Leute baten die Wahrsagerin Libuše um Hilfe, was man gegen die anarchischen Zustände im Land tun könnte. Die Wahrsagerin begann, sehr große Töne zu spucken: Sucht mir einen Mann, der mir hierhin eine Türschwelle (prah) baut. Dann machen wir daraus eine Burg und eine Stadt und ein Königreich auch noch. Die Berühmtheit der Stadt wird bis zu den Sternen reichen.
Okay, sagten die Leute, und fanden auf dem Feld einen Mann namens Přemysl den Pflüger, der auch brav die Schwelle baute, die Libuše heiratete und den Rest auch noch erledigte.
Die Stadt wurde übrigens nach der Türschwelle benannt: Praha.


Und so entstand angeblich das böhmische Königreich der Přemysliden. Deren Könige hießen alle entweder Václav (eingedeutscht Wenzel) oder Ottokar Přemysl, andere Namen standen nicht zur Verfügung.
Der erste Václav war ganz fromm, wurde von seinem Bruder beim Gebet getötet und heiliggesprochen. Sein Gedenktag ist der 28. September, ein staatlicher Feiertag. Präsident Zeman ist allerdings kein Fan vom Heiligen Václav, weil der sich einem fränkischen König unterworfen und feige kollaboriert hat.

Die Ottokars und Wenzels herrschten vom Ende des 9. Jahrhunderts bis 1306. Anfangs hatten sie nur Böhmen, dann wurde ihnen auch Teile Schlesiens und Mähren unterstellt. Das macht zusammen so ungefähr das heutige Tschechien.

So konnte Tschechien erstmal ein bisschen seine nationale Identität finden. Sonst hätten die Tschechen später gar nicht bemerkt, dass man sie erobert und eben diese Identität unterdrückt wird.
Naja, dieses Königreich Böhmen gehörte zwar zum großen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, aber es hatte darin eine Sonderstellung, und außerdem war das Heilige Römische Reich ja eh kein echter Staat so wie heute. Neben dem deutschen König/Kaiser war der böhmische König der einzige, der sich im Reich noch König nennen durfte. Dafür hatte er bei der Wahl des deutschen Königs keine Stimme - er war der Schenk des Reiches und trug den Becher des Königs, und er durfte den Wein einschenken.

Die Přemysliden starben irgendwann aus und wurden 1310 durch Heirat von den Luxemburgern abgelöst. Deren Könige hießen Johann und Karl. Karl IV. gründete 1348 die Karsuni (Univerzita Karlova) in Prag, das war die erste Uni nördlich der Alpen.

Weil die katholische Kirche ihren heiligen Auftrag, sich um ihre Schäfchen zu kümmern, vor allem dahingehend interpretierte, möglichst viel Geld zu verdienen, waren einige Leute mit ihr unzufrieden. Der Prediger Jan Hus zum Beispiel. (Der führte übrigens auch die Häkchen für die tschechische Schrift ein.) Das war aber kein Problem, das man nicht mit dem Konziler Konstanz und einem ordentlichen Scheiterhaufen lösen könnte, dachten sich die katholischen Bischöfe.

Nun, sie irrten sich. Nachdem Jan Hus 1415 verbrannt wurde, rasteten seine Anhänger, die Hussiten, ein bisschen aus. 1419 stürmten sie das Prager Rathaus und schmissen wichtige Menschen aus dem Fenster. Das war der erste Prager Fenstersturz. Die Hussiten mussten aufwändig in der Schlacht besiegt werden, bis die Katholiken wieder Ruhe hatten.

Aber nur kurz. Der nächste Reformator hieß Luther, kam aus Deutschland und veranstaltete noch viel mehr Wirbel. Kaiser Rudolf vom Heiligen Römischen Reich erlaubte zwar erstmal Religionsfreiheit, aber in Wahrheit wurden die Protestanten noch unterdrückt. Deshalb taten die Reformatoren, was schon das letzte Mal so gut funktioniert hatte: Sie gingen nach Prag und schmissen Leute aus dem Fenster, genau genommen die Statthalter des Königs aus der Burg.

Alle Länder Europas nahmen das als Anlass, um endlich mal so richtig schön Krieg zu führen und sich ein paar neue Gebiete zu schnappen... ach nee, ähm, natürlich nur, um ihre eigene Religion zu verteidigen.

Österreich-Ungarn schnappte sich zum Beispiel Tschechien. Und damit wären wir bei der nächsten Eroberung.
Die böhmischen Stände wählten zwar den deutschen Protestanten Friedrich von der Pfalz zu ihrem König, aber der regierte nur einen Winter lang. Dann verlor er 1620 die Schlacht am Weißen Berg gegen den Kaiser von Österreich-Ungarn, Ferdinand II.

Tschechien gehörte jetzt zum Reich der Habsburger und wurde von Wien aus beherrscht, und zwar ganz schön lange - für die Tschechen war das eine Epoche der Dunkelheit. Die offizielle Sprache war Deutsch, nicht Tschechisch.

1780 gab es in Wien einen anderen Kaiser, Joseph II. Der hat zum Beispiel die Leibeigenschaft abgeschafft, denn er war ein Anhänger des aufgeklärten Absolutismus. Allerdings hat er die Unabhängigkeit Tschechiens nur noch weiter ausgehebelt. Beides fanden die böhmischen Adeligen nicht so toll. Deshalb erfanden sie das Böhmische Staatsrecht, mit dem sie ihre Privilegien und Unabhängigkeit sichern wollten. Das fand der Joseph aber nicht so überzeugend.

Im 19. Jahrhundert fand eine nationale Wiedergeburt Tschechiens statt. Die Tschechen wollten wieder tschechisch sprechen und nicht so von Österreich unterdrückt werden. In dieser Zeit lebten bekannte Künstler wie Bedřich Smetana, Antonin Dvořák oder Franz Kafka, die das alle irgendwie thematisierten.
1848 entstand ein Pfingstaufstand, wo die Tschechen mit Gewalt unabhängig werden wollten. Klappte aber auch nicht.

Tschechien lag zu der Zeit unglücklicherweise zwischen Österreich und Preußen, weshalb die beiden Rivalen dort kämpften und verhandelten. In dem Zusammenhang liest man auch in deutschen Geschichtsbüchern viele tschechische Städtenamen. Bei der Olmützer Punktation (in Preußen auch Olmützer Schande genannt) schlossen Preußen, Österreich und Russland 1850 in Olomouc einen Friedensvertrag über ganz wenige Punkte, über die sie sich einig waren. Vorher hätte es fast schon einen Krieg zwischen beiden gegeben.
Den gab es dann stattdessen 1860, als Preußen Österreich in der Schlacht bei Königgrätz besiegte, und zwar im Dorf Sadová bei Hradec Králové. Danach schlossen sie den Frieden von Prag, und die Schande von Olmütz war getilgt oder so.

Die Industrielle Revolution gab es unterdessen natürlich auch noch. Österreich profitierte von der ganzen Industrie, die aus dem böhmischen Boden spross.


Im Ersten Weltkrieg mussten die Tschechen mit Österreich und Deutschland kämpfen. Danach zerbrach das Reich von Österreich-Ungarn und die Tschechen konnten endlich mal wieder unabhängig sein, wenn auch (Achtung, Spoiler!) nur kurz.

1918 wurde die Tschechoslowakische Republik gegründet. Vorher hatte man schon eine Regierung im Exil vorbereitet. Die Slowakei wollte nämlich auch gern mitmachen. Sogar ein Stückchen der Ukraine schloss sich 1919 an. Demokratie kam bei den Ländern einfach besser an als Monarchie.
Der erste Staatspräsident der Republik war Tomáš Garrigue Masaryk, ein Schriftsteller und Philosoph, an den bis heute Universitäten, Statuen und ungefähr die Hälfte aller Marktplätze in Tschechien erinnern. Ein großes historisches Vorbild eben.


In dieser Tschoslowakischen Republik lebten fast 30 Prozent Deutsche, vor allem im Sudetenland. Die hatten auch eigene Parteien, die oft mehr Unabhängigkeit für die Sudetengebiete forderten. Das führte zu Streit.

1938 beschloss Hitler: Wenn da im Sudetenland vor allem Deutsche leben, dann ist das ja quasi Deutschland. Und er annektierte das Land. Großbritannien und Frankreich halfen der Tschechoslowakei nicht, denn sie wollten den Hitler ja beschwichtigen.

Das funktionierte nicht besonders gut, denn einen Zweiten Weltkrieg gab es trotzdem, bei dem sich die Nazis auch noch die "Rest-Tschechei" unter den Nagel rissen.
Sie errichteten Konzentrationslager und ermordeten ganze Dörfer als Vergeltung, weil jemand ihren Statthalter Reinhard Heydrich bei einem Attentat umgebracht hatte.

1945 war dieser Spuk zu Ende. Leider nur, um von einem anderen Spuk abgelöst zu werden. Erst einmal erkämpften sich die USA und die Sowjetunion das Land und verwalteten es. Sie bestimmten eine Trennlinie entlang der Städte Karlsbad, Pilsen und Budweis.

Wie im letzten Weltkrieg gab es auch diesmal eine Exilregierung, die nach dem Krieg gut vorbereitet ins Land zurückkehrte. Sie ließ die Sudetendeutschen als Staatsfeinde vertreiben.

1946 gewannen die Kommunisten die Wahlen und stellten den Präsidenten. Das reichte ihnen aber nicht, und so änderten sie 1948 die Verfassung und ließen ihre politischen Gegner einsperren und ermorden. Jan Masaryk zum Beispiel, der Sohn des alten Masaryk und Verteidigungsminister, wurde wahrscheinlich aus dem Fenster geworfen, auch wenn es offiziell hieß, er habe Selbstmord begangen.
Das wird teilweise als dritter Prager Fenstersturz bezeichnet.

Die Kommunisten konnten nun jahrzehntelang ihre Gegner einsperren und das Land herunterwirtschaften - mit einer Ausnahme:
1968 gab es den Prager Frühling. Da wurde Alexander Dubček Vorsitzender der Kommunistischen Partei und wollte einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, also ohne Zensur, mit Meinungsfreiheit und kleinen Privatunternehmen. Das kündigte er groß an und alle freuten sich.
Sie freuten sich zu früh, denn die Russen kamen mit Panzern angefahren, besetzten die Tschechoslowakei und stellten den Sozialismus mit unmenschlichem Antlitz wieder her.

Erst 1989 kam es dann zur Samtenen Revolution. Studenten demonstrierten, die Demo wurde gewaltsam aufgelöst, deshalb kam es zu noch mehr Demos und immer so weiter... Dabei klimperten die Leute alle mit ihren Schlüsseln, als Symbol für... Freiheit oder so.
Die Samtene Revolution ging relativ gewaltfrei und samtig, was auch daran lad, dass Gorbatschow in der Sowjetunion feststellte, dass er einfach kein Geld mehr hatte, um zig europäische Länder zu unterdrücken.
Der neue tschechoslowakische Präsident wurde Václav Havel.

Die Tschechoslowakei ließ sich 1992 scheiden, es entstanden die Tschechische und Slowakische Republik. Vereinbart hatten das die Ministerpräsidenten der Länder, der tschechische Ministerpräsident war damals der neoliberale Václav Klaus.
Die Scheidung war einvernehmlich - zumindest, was die Politiker anging. Die Bevölkerung war eigentlich eher dagegen.

Nach einer Volksabstimmung trat Tschechien 2004 der EU bei. Mittlerweile hat sich das Blatt wieder gewendet: Nachdem die Sozial- und Christdemokraten durch diverse Skandale ihre Glaubwürdigkeit verloren, haben die zwei rechten Parteien ANO und SPD während der Flüchtlingskrise Aufwind bekommen, obwohl (oder gerade weil) Tschechien eh kaum Migranten aufgenommen hat. Die SPD will sogar den EU-Austritt.

Auf jeden Fall wollen beide das Land, das seine undurchdringlichen Grenzen nach der Wende endlich losgeworden ist, wieder einzäunen. Früher sollte niemand rauskommen, heute soll niemand reinkommen.

Nationalisten und Kommunisten werden heutzutage wieder immer mehr gewählt. Ist ja logisch, Tschechien hat ja in der Vergangenheit schon gute Erfahrungen mit beiden gemacht.

Vielleicht lässt sich der Erfolg der Rechten aber auch einfach so erklären: Nachdem Tschechien im Lauf der Geschichte so oft erobert wurde, wollen die Tschechen jetzt einfach mal selber was erobern.