Samstag, 23. Dezember 2017

To

Welches ist das wichtigste Wort der tschechischen Sprache? Das klingt nach einer schwierigen Frage, aber ich kann sie eindeutig beantworten: To. Dieses Wort ist ein Universalschlüssel zu jeder Aussage.
To ist eigentlich ein sächliches Pronomen und heißt deshalb übersetzt so viel wie dieses, das oder es.

So viel zur offiziellen Grammatik. In Wahrheit kann dieses Wort jedoch viel mehr, wenn man es umgangssprachlich benutzt. To kann jedes beliebige andere Wort ersetzen. Der Gesprächspartner muss dann aus dem Kontext erkennen, was gemeint ist. In dem Fall könnte man to am ehesten mit dings übersetzen.

Wenn to ein Substantiv ersetzt, ist das ja sowieso grammatisch korrekt.
To kann aber auch ein Adjektiv sein.

To je uplně to. - Das ist total dings.

Oder ein Verb:

Já jsem to to. - Ich habe das gedingst.

Selbstverständlich existiert auch die Verneinung neto.

Teda, ja to úplně neto. - Also, das dingse (mag?) ich überhaupt nicht.

Im Extremfall sieht die Verwendung von to dann so aus wie bei einer Dame, die einmal am Flughafen nur ein Stück Handgepäck mitnehmen durfte und deshalb die Idee hatte, die Handtasche einfach unter den Gurten des Rucksacks zu befestigen. Sie unterhielt sich mit uns und kommunizierte im Wesentlichen mithilfe von to und ihrer Gestik.

Ale já jsi taky myslím, že to je to. Jako - to, ne to. - Aber ich denke auch, dass das total dings (Balla-balla, sie wedelt nämlich mit der Hand vor dem Gesicht.) ist. Also das (Sie deutet auf den Check-in-Schalter, wo man ihr die Mitnahme zweier Gepäckstücke verboten hat.), nicht das. (Sie deutet auf ihr clever modifiziertes Gepäck.)

Das Verrückte ist, das funktioniert meistens. Aus dem Kontext oder mithilfe der Gestik erschließt sich fast immer, was ungefähr mit to gemeint ist.
Somit spart man viel Zeit. Dies ermöglicht beispielsweise einer Tschechin, mit erhöhter Frequenz zu quatschen und zu tratschen, was eine wichtige soziale Kompetenz darstellt.

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Rychlík vs. Railjet

Vorsicht beim Bahnfahren in Tschechien! Neben der staatlichen Bahn (CD - České Dráhy) gibt es auch private Bahnunternehmen, zum Beispiel Leo-Express oder Railjet.

Es kann also passieren, dass man dann in einen Zug der Firma Railjet einsteigt und der Schaffner kopfschüttelnd sagt: "Sie haben da eine Fahrkarte der tschechischen staatlichen Bahn gekauft, mit denen haben wir hier aber nichts zu tun. Außer dass wir von denselben Bahnhöfen starten." Dann muss man wohl oder übel beim Schaffner ein neues Ticket erwerben.
Die privaten Bahnunternehmen sind natürlich teurer, aber für deutsche Verhältnisse noch durchaus bezahlbar.

Durch die verschiedenen Unternehmen gibt es bei den Bahnen krasse Gegensätze. Im Ruheabteil des Railjet-Zuges herrscht brütende Stille. Die Menschen starren mit Kopfhörern in den Ohren auf die Bildschirme, die in die Rückenlehnen eingebaut sind. Kostenloses WLAN gibt es sowieso, außerdem bringen die Schaffner kostenlose Zeitungen und eine Flasche kostenloses Wasser.

Nun steigen wir in einen "Schnellzug" (Rychlík) der staatlichen Bahn um. Ein alter Zug mit Abteilen, die allesamt besetzt sind, sodass sich die Menschen auf den kalten, unbequemen Gängen drängeln. Und so richtig schnell ist das auch nicht - Schnellzug ist in Tschechien ein dehnbarer Begriff. In einem dicken Gepäckwagen mit schweren grauen Schiebetüren ist Platz für Fahrräder und Kinderwagen. Wenn sich die Menschen jedoch selbst dort drängen, wird es schwierig, die Räder dort hineinzubugsieren.

Okay, es ist komplett unfair, die staatliche Bahn auf solche Züge zu reduzieren, trotzdem fand ich diesen Gegensatz so krass, dass ich ihn mal loswerden wollte.

Durch den Druck der Konkurrenz hat auch die staatliche Bahn angefangen, nach und nach modernisierte Züge unterzumischen, sowohl im Regional- als auch im Fernverkehr. Das hat zur Folge, dass jeder Zug eine Art Überraschungspaket darstellt. Man weiß nie, was man bekommt. Wenn man dieselbe Strecke zweimal fährt, sitzt man das eine Mal womöglich in einem modernen Zug mit Steckdosen und WLAN und das andere Mal in einer uralten Klapperkiste, deren Toiletten sich noch direkt auf die Gleise entleeren.

Freitag, 15. Dezember 2017

Lebkuchen bemalen

Dies ist das tschechische Äquivalent zum Plätzchen dekorieren: Lebkuchen verzieren (ozdobit perníky).

Der Zuckerguss kommt aus der eisernen Spitze einer kleinen Zuckertüte.

Spezielle Buchstaben

Die Umlaute Ä, Ö und Ü gibt es in Tschechien nicht. Tschechen wissen nämlich, dass man mehr als nur zwei simple Punkte auf einen Buchstaben setzen kann. Ein tschechischer Text sieht aus, als hätte ihn ein Verrückter mit Strichen, Häkchen und Kreisen beballert.
Das sieht erstmal ungewöhnlich aus. Es ist aber gar nicht so schwierig, die Bedeutung dieser Zeichen zu erfassen.

Die Striche bedeuten einfach nur, dass der Laut lang ausgesprochen wird. Das ist eigentlich ziemlich sinnvoll.

á
é
í und ý
ó
ú (am Wortanfang)
ů (Wortmitte und Wortende)

Die Häkchen bedeuten entweder, dass ein J mitklingt...

ě - je
ň - nj

...oder dass sich irgendwo ein Zischlaut versteckt.

š - sch
č - tsch
ž - wie das g in Garage
ř - r und sch gleichzeitig (Ja, das geht. Ist aber schwierig.)

Eingeführt hat diese Häkchen kein Geringerer als der Prediger Jan Hus, der "tschechische Luther".

Das R wird natürlich auf osteuropäische Weise gerollt.
Das ch wird immer wie z. B. im Wort Sachen ausgesprochen. Ein weiches ch (wie z. B. im Wort weich) gibt es nicht. Das merkt man ganz deutlich, wenn Tschechen versuchen, deutsch zu sprechen.

Ein amtliches Wortspiel

So bekommt man ganz einfach innerhalb nur weniger Monate einen tscheschischen Personalausweis in tschechischen Ämtern (úřady):

1. Fragen Sie unverbindlich im Amt Ihrer Stadt nach, was man in ihrer Situation für einen tschechischen Personalausweis braucht, wenn man die Staatsbürgerschaft theoretisch hat, aber seit der Geburtsurkunde kein entsprechendes Dokument.
2. Sehen Sie zu, wie die Beamten verwirrt dir Köpfe zusammenstecken und diskutieren.
3. Lassen Sie sich eine Liste der benötigten Dokumente gegen (Geburtsurkunde des tschechischen Elternteils, Heiratsurkunde der Eltern, eigene Geburtsurkunde, deutscher Personen, 100 Kronen=4 Euro). Lassen Sie sich zusichern, dass Sie diese Dokumente nur noch kurz rein reichen müssen, sobald sie da sind.
4. Lassen Sie sich diese Dokumente aus Deutschland schicken. Nach zwei Monaten werden Sie da sein.
5. Gehen Sie damit zum Stadtamt. Statt Sie kurz reinzureichen, füllen Sie einen langen, komplizierten Antrag auf Bestätigung der Staatsbürgerschaft aus, tun Sie Kopien aller Dokumente hinein und lassen Sie es an das Bezirksamt senden.
6. Erhalten Sie wenige Tage später ein Einschreiben vom Bezirksamt, das Sie in der Post im Nachbarort abholen müssen. Freuen Sie sich, dass es so schnell ging.
7. Holen Sie sich an der Post den ganzen dicken Umschlag wieder ab, der an Sie zurückgesendet wurde. Lesen Sie im beiliegenden Brief, dass der Antrag seit einer kürzlich erfolgten Änderung nur noch persönlich im Bezirksamt gestellt werden kann.
8. Rufen Sie die Nummer der im Brief angegebenen Mitarbeiterin an und vereinbaren Sie einen Termin. Da Sie sich für die Fahrt einen Tag freinehmen müssen, die Öffnungszeiten des Bezirksamts eng sind und mittlerweile die Weihnachtsfeiertage vor der Tür stehen, dauert es zwei weitere Wochen, bis zum nächsten passenden Termin.
9. Fahren Sie morgens früh zum riesigen Amt der Bezirkshauptstadt. Kommen Sie pünktlich und gegen Sie alles ab. Füllen Sie einen komplett anderen Antrag mit denselben Angaben aus, da der Aufbau des bereits ausgefüllten Antrags mittlerweile wohl schon wieder veraltet ist.

10. Bezahlen Sie die 100 Kronen an der Kasse im Gebäude gegenüber.
11. Erhalten Sie ein A4-Blatt, dans Ihre Staatsbürgerschaft bestätigt. Hurra!

12. Zurück im Stadtamt bestellen Sie damit einen Personalausweis.
13. Machen Sie bei einem Fotografen Passfotos für einen schnellen Personalausweis (rychlý občanský průkaz), der sofort ausgestellt wird, einen Monat gültig ist und ebenfalls 100 Kronen kostet. (Der normale Perso ist kostenlos, das Foto dafür  wird direkt im Amt geschossen.) Nur damit können Sie noch rechtzeitig bei der Stichwahl im Januar wählen.

14. Holen Sie den normalen Perso am Tag ab, bevor Ihr mehrmonatiger Aufenthalt in Tschechien auch schon zu Ende ist.

Immerhin haben die staatlichen Ämter einen für ein Amt ungewöhnlich verspielten Namen, nämlich ein Wortspiel mit dem englischen Wort Checkpoint.

Samstag, 9. Dezember 2017

Nebelgedicht

Der Nebel in Tschechien ist zart und fein.
Die Sonne vertreibt ihn, er wird ganz klein.
Ein hauchdünner Schleier im goldenen Licht
verschönert die Sicht und blockiert sie nicht.

Der Nebel in Tschechien ist dick und schwer.
Er schiebt nämlich massenhaft Wasser umher.

Der Nebel in Tschechien ist wie ein Meer.
Ein Tal voller Nebel ist niemals leer.

Der Nebel in Tschechien ist eine Wand.
Das Land dahinter ist unbekannt.

Der Nebel in Tschechien ist uns nicht geheuer.
Er wabert im Wald und um alte Gemäuer.

Der Nebel in Tschechien ist wie ein Zipfel.
Hoch oben am Berg, da bedeckt er den Gipfel.

Der Nebel in Tschechien ist kalt und weiß
und passt somit perfekt zu Schnee und Eis.


Wie wird der Nebel wohl morgen aussehen?
Der Nebel in Tschechien ist wunderschön.

Die Weihnachtsbaumanzündung

Ein traditionelles Ritual in jedem Dorf und jeder Stadt gegen Ende November ist das Anzünden des Weihnachtsbaumes. Dazu singt der Schulchor extrem leise die tschechische Übersetzung von Jingle Bells. Anschließend dürften die Kinder das neue Weihnachtsgeschenk für die Freiwillige Feuerwehr unter einer Plane "auspacken": ein neues Feuerwehrauto. Der Pfarrer spricht ein Feuerwehrgedicht, auf dass die mutigen Feuerwehrmänner es möglichst selten benutzen müssen.
Zur Unterhaltung der Kinder wird das Blaulicht angeschaltet, das den Tannenbaum deutlich überstrahlt.
Zum Schluss folgt ein Feuerwerk.

Ein paar Buden stehen auch herum und verkaufen Langos, Glühwein und Wurst. Die Buden haben keine riesigen Reklametafeln, die verraten, welches Produkt hier angeboten wird. Das heißt, man stellt sich ans Ende der ellenlangen Schlange und erfährt erst am Ziel, wofür man eigentlich angestanden hat. Ein interessanter Überraschungseffekt.

Das ist jedenfalls besinnlicher als ein deutscher Großstadtweihnachtsmarkt.

Langweilige allgemeine Fakten

Hier ein paar Fakten, die ich von Wikipedia abgeschrieben habe:
Tschechien ist 78866 Quadratkilometer groß. Auf diesen 78866 Quadratkilometern leben ungefähr 10,5 Millionen Menschen. Das macht im Durchschnitt ca. 134 Menschen pro Quadratkilometer.
Spannend, oder?

Die Abkürzung für Autokennzeichen und Internetseiten lautet CZ. Die Vorwahl ist +420 (Nicht die 0 vergessen!) Bei der Teilung der Tschechoslowakei wurde nämlich auch die Vorwahl aufgeteilt, die Slowakei bekam die +

Der Wahlspruch des Landes heißt: Pravda vítězí. Die Wahrheit siegt.
Im Zeitalter der Fake News ist das natürlich nicht mehr ganz aktuell.

Die Hauptstadt ist Prag, aber das sollte nun wirklich jeder wissen...
Die Flagge besteht aus einem weißen und roten Streifen mit einer blauen Spitze.

Montag, 4. Dezember 2017

Die verschneite Grenze

Die Skisaison hat begonnen!

In Šerlich im Adlergebirge ist schon alles zugeschneit.
Tschechien ist ja komplett von Bergen umschlossen, die bilden eine natürliche Grenze. Wenn eine Gebirgskette zu Ende ist, folgt direkt die nächste: das Erzgebirge, das Elbsandsteingebirge (Grenze mit Deutschland), das Riesengebirge, das Adlergebirge, das Altvatergebirge (Grenze mit Polen) und so weiter.
Die Gebirgskette auf diesem Bild ist also die tschechisch-polnische Grenze. Im Hintergrund sieht man die Děstná, den höchsten Berg des Adlergebirges.

Und hier führen unzählige Skipisten hinunter nach Polen.

In der Ferne kann man das Riesengebirge sehen. Das ist nochmal eine Nummer größer.

Sonntag, 3. Dezember 2017

Willkommen und Abschied

Beginnen wir mit den elementaren Dingen: Wie begrüßt und verabschiedet man sich?

Die höfliche Variante kann man fast wortwörtlich übersetzen:
Dobrý den - Guten Tag
Na shledanou - Auf Wiedersehen

Die Begrüßung unter Freunden ist dagegen etwas ungewöhnlich:
Ahoj (obwohl es in Tschechien kein Meer gibt) und čau (tschau).
Ahoj und čau können beide sowohl hallo als auch tschüss bedeuten. Das kann manchmal verwirrend sein.

Bei einem besonders langersehnten Wiedersehen ist es traditionell üblich, das čau zutiefst emotional zu betonen und extrem zu dehnen, um zu zeigen, wie sehr man den anderen vermisst hat: "Čaaaaau!"

Freitag, 1. Dezember 2017

Einleitung

Ich stolpere verwirrt in die Eingangshalle des Prager Hauptbahnhofs. Dorthin hat mich ein nicht minder verwirrter Fernbusfahrer gebracht, der offensichtlich selbst nicht wusste, ob er nun zum Haupt- oder Busbahnhof fährt. Ich starre hinauf in die große Kuppel, müde, hungrig und leicht neblig im Kopf.
Eine Durchsage ertönt: "Ding-dang-dong! Vážení cestující, na nástupišti 1, severní část, nastupte do rychlíku číslo 42. Vlak dále pokračuje směrem..."
In Deutschland heißt es am Bahnhof ganz unterwürfig "Meine Damen und Herren, auf Gleis 2 steht für Sie bereit.", in Tschechien wird aktiv für den Zug geworben: "Sehr geehrte Reisende, auf Bahnsteig 1, im nördlichen Abschnitt - steigen Sie ein in den Schnellzug Nummer 42. Dieser Zug fährt weiter nach..." auf jeden Fall irgendwohin, wo es ganz toll ist, also jetzt noch zusteigen und die nächste Fahrt genießen! Es klingt entfernt nach einem Jahrmarkt, wo die Schausteller Werbung für Ihr Fahrgeschäft machen.
Ich jedenfalls lasse mich anwerben und steige ein, um dieses Land zu erkunden und über seine Kuriositäten zu schreiben. Vor allem über die Kuriositäten der tschechischen Bahn. Mit dem Thema sind wir noch lange nicht durch.