Montag, 1. November 2021

Politik: Wie wird gewählt?

Es gibt viele Unterschiede zwischen deutschen und tschechischen Wahlen (volby).

1. Per Post kommt keine Wahlbenachrichtigung in dem Sinne, sondern die Stimmzettel (volební lístky) ohne Namen. Den nimmt man zum Wahllokal mit. Außer bei der Stichwahl, da reicht die Zeit nicht zum Verschicken und die Stimmzettel liegen schon im Wahllokal bereit.

2. Den nimmt man zum "Wahlzimmer " (volební místnost), zusammen mit seinem Personalausweis (občanský průkaz). Es gibt die Möglichkeit, auf dem Amt einen vorläufigen Ausweis anzufertigen, der für einen Monat gültig ist und sofort ausgestellt wird. Das ist praktisch.

3. Briefwahl gibt's leider nicht. Das ist weniger praktisch. Vor allem für Tschechen im Ausland, die nur in die Botschaft in der Hauptstadt wählen können (und auch nur, wenn sie das lange vorher beantragen), und für ältere, klapprige Menschen, die sich mühevoll die Treppe ins Wahllokal hinaufquälen müssen.

4. Normalerweise darf man nur in der Gemeinde wählen, wo man gemeldet ist. Falls man in einer anderen Gemeinde oder gar im Ausland in der tschechischen Botschaft wählt, muss man in einer aufwändigen Prozedur einen Wahlausweis (volební průkaz) beantragen, den man im fremden Wahllokal vorzeigt.

5. In den stilvoll eingerichteten Wahllokalen auf dem Dorf gehört es zum guten Ton, alle (wirklich alle) zu grüßen.


6. Wählen kann man
am Freitag von 14 bis 22 Uhr und
am Samstag von 8 bis 14 Uhr.
Wenn schon keine Briefwahl, dann wenigstens flexiblere Öffnungszeiten.

7. Bei der Stichwahl des Präsidenten braucht man keinen Stift, sondern legt einfach einen der beiden gelben Stimmzettel mit dem richtigen Namen in den Umschlag.


8. Die Parlamentswahl funktioniert folgendermaßen: Die Bürger erhalten einen dicken Packen Papier, für jede Partei ein DIN-A4-Blatt (am skurrilsten sind die Monarchie-Partei und die „Wir wollen ihre Stimmen nicht! Wählt uns nicht!“-Partei).

a) Zuerst wählen sie ein Blatt aus, das sie in den Umschlag legen wollen.

b) Falls Sie die Reihenfolge der Kandidaten auf dem Papier komplett in Ordnung finden, müssen sie nichts weiter machen. Ansonsten können sie vier Namen ankreuzen. Wenn genug Kreuze zusammenkommen, rücken die Politiker auf der Liste nach oben und kriegen früher einen Sitz. Diese Möglichkeit wird auch eifrig genutzt (anders als bei der deutschen Erststimme, wo viele einfach dasselbe wählen wie bei der Zweitstimme). Das Ankreuzen hat stark beeinflusst, wie sich das Parlament zusammensetzt. Das liegt auch daran, dass auf mehreren Blättern Wahlbündnisse aus mehreren Parteien antreten. Die Wähler picken sich dann alle Kandidaten ihrer Lieblingspartei heraus.

 
Mich überzeugt dieses System mehr als die deutsche Erst- oder Zweitstimme. Der einzige Vorteil der deutschen Erststimme ist ja, dass sie persönlicher, weil man jemanden aus dem eigenen Wahlkreis wählen kann. In Tschechien kann man zwischen deutlich mehr Personen wählen (auch wenn die nur aus dem eigenen Bezirk und nicht aus dem Wahlkreis kommen) und ist damit noch persönlicher.
Das tschechische System verursacht natürlich eine ganze Menge Papiermüll. Aber: Weil es keine Überhangmandate gibt, wächst das Parlament nicht immer weiter – und Extra-Abgeordnete verbrauchen sicherlich auch jede Menge Papierkram.

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